Einfach. Gut. Essen.

Salli

Ein Gespräch mit Ex-Sternekoch und Buchautor Franz Keller
Foto: Hans Renner

salli: Salli Herr Keller, der Schwarze Adler in Oberbergen hat seit 50 Jahren einen Stern. Das wurde ja ordentlich gefeiert. Was halten Sie denn heute von der Sterneküche und dem ganzen Blingbling darum?
Franz Keller: Ich habe dazu ein schwieriges Verhältnis. Der Michelin war immer der seriöseste von allen Führern – weder bestechlich noch sonst was, um das mal ganz klar zu sagen. Aber die kämpfen auch langsam um ihr Überleben. In Asien haben sie einen Riesenerfolg damit, aber in Europa lesen das immer weniger und immer weniger kaufen dieses Buch. Jetzt machen sie auch solche Aktionen wie Köchen den dritten Stern wegzunehmen. Ich will jetzt keinen Namen nennen – das weiß man ja sowieso. Ich denke das ist völlig ungerechtfertigt und wird nur des großen Aufsehens wegen gemacht. Aber das ist eben das, was Journalismus heute ist. Für einen jungen Koch mag es immer noch gut sein, wenn er mal einen Stern kriegt und seine erste Klientel ziehen kann, aber ich halte von diesen Dingen nicht mehr viel und ich kann den jungen Leuten nur empfehlen es so zu machen wie in Frankreich. Die lernen in hervorragenden Läden mit ein oder zwei Sternen und suchen sie sich nachher auf dem Land irgendeine billige Kneipe, kochen da anständig zu normalen Preisen und die Läden brummen. Das ist die Art von Gastronomie, die bei uns fehlt. Bei uns gibt es ja bald nur noch ganz oben und ganz unten und dazwischen gibt‘s eine Gyrosbude und eine Currywurst und eine Pizzeria und so einen Mist.

Sie waren einer der ersten Stars unter den deutschen Köchen. Sie haben in der „Tomate“ in Köln angefangen und sind dann als Küchendirektor auf die „Bühlerhöhe“ gewechselt. Und nach ein paar Jahren in der sternefreien Adlerwirtschaft gelandet. An welchem Herd sind Sie am liebsten gestanden?
Immer am eigenen. Auch wenn er manchmal der Bank gehört hat.

Inzwischen hat Ihr Sohn die Adlerwirtschaft übernommen. Die Kellers scheinen aus der Gastronummer nicht rauszukommen. Liegt das in den Genen? Müssen Kellers einfach Gastronomen und Köche werden?
Vielleicht können wir nichts anderes – bis auf eine Ausnahme und der liebt den Fußball.

Wolfgang Siebeck hat einmal gesagt, dass ein guter Koch auch aus einem Gartenschlauch eine Delikatesse zaubert. Ist dieser ganze Hype um gute Produkte vielleicht etwas übertrieben oder anders gefragt: Was ist entscheidend der Koch oder das Produkt?
Erstmal das Produkt und dann das Handwerk. Ein Koch, der sein Handwerk versteht, kann wirklich aus fast allem etwas machen und muss dabei auch nicht verschwenderisch sein. Um jetzt wieder auf die Sterneküche zurückzukommen, wenn man heute so einen Koch-Heiligenschein erreichen möchte, dann muss man bestimmte Dinge kochen und die so lange wie möglich, immer gleich präzise. Das hat mit dem normalen Markt und dem normalen Angebot nichts mehr zu tun. In meinem nächsten Buch will ich zeigen, dass Kochen eigentlich gar nicht so kompliziert ist. Man mu ss einfach ein bisschen kreativ sein und keine Angst haben. Und vor allem nicht so viele Ausreden schwingen, wie: Ich hab keine Zeit oder so…

Gesunde Ernährung ist gerade mal wieder eines der Megathemen im gesellschaftlichen Diskurs. Da werden ständig neue Weisheiten verbreitet. Mal soll‘s ohne Fleisch gehen, mal sollen die Milchprodukte weggelassen werden, mal soll auf weißes Mehl verzichtet werden. Nach Genuss klingt das alles jedenfalls eher nicht, was halten Sie davon?
Für mich wird da jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Gute und richtig tolle Lebensmittel und Produkte, das sollte das Thema sein. Davon wird aber abgelenkt, weil es die kaum noch gibt. Kein Mensch sagt uns, dass in dem Fleisch was wir kaufen eigentlich nichts mehr drin ist von dem was wir erwarten, weil es falsch produziert wird. Die Medien müssen ja auch immer mal was Neues bringen, damit sie jemand liest. Daher mein Credo: Kocht selbst, dann werdet ihr am wenigsten betrogen und wisst wenigstens einigermaßen was im Essen drin ist. Jeder ist bereit 12 Euro auszugeben für irgendein Fastfood, dann kann er doch nicht ernsthaft glauben, dass da mehr als 1,50 Euro an Ware drin ist.

Die Tiefkühl-Regale in den Supermärkten nehmen immer größere Ausmaße an. Sie rufen dagegen strikt zum Selberkochen auf – ist das in der heutigen, veränderten Berufwelt überhaupt täglich umsetzbar?
Natürlich ist es umsetzbar, wir haben nur zu viele Dinge im Kopf, wie jeden Tag zwei Stunden auf Facebook zu sein oder stundenlang Fernsehen zu schauen. Für mich ist das Faulheit. Man kann wirklich heute mit sehr wenig Geld anständig kochen. Und es muss ja nicht immer gleich Bio sein, es kann ja auch ein normales konventionelles Produkt sein. Und irgendwann wird der Geschmack so fein, dass man auch weiß was man will. Es gibt Leute die kochen mit Freunden am Samschdig Abend, kaufen ein, kochen fünf Stunden, verwüsten die Küche und dann müssen sie drei Tage die Reste fressen. Das ist nicht kochen! Kochen ist ein Prozess – da reicht jeden Tag eine halbe Stunde. Wenn man ein Suppenfleisch kocht, dann hat man fünf oder sechs Gerichte hinterher. Da gibt es eine Suppe, eine Fleischbrühe, das Gemüse, was man als Salat essen kann. Es ist alles möglich, nur muss man sich da mal einen anständigen Topf kaufen und nicht so ein Schißhäfeli, wo nur ein Liter reinpasst. Da kauft man sich einen der 8 oder 12 Liter hat, in dem man was für vier Tage kochen kann. Und je öfter man das macht, umso kreativer wird man und umso weniger Zeit braucht man dafür. Und über diese Schiene lernen sie dann vielleicht auch was Qu3alität ist. Und zwar von Anfang an.

Sie meinen, es sollte eigentlich schon in der Schule anfangen?
Ja natürlich, wenn zuhause nicht mehr gekocht wird, dann müssen die Kinder es in der Schule lernen. Früher gab es doch auch Hauswirtschaftsschulen. Da muss der Staat doch langsam mal eingreifen. Die Leute werden ja auch krank mit der Zeit, wenn sie sich ständig nur von inhaltslosem Mist ernähren.


Das Buch „Vom Einfachen das Beste“ war für viele überraschend ein Bestseller – es wird ein weiteres Buch von Franz Keller geben. Um was geht’s dabei?
Ums Kochen, was sonst! Das neue Buch heißt „Ab in die Küche!“ Es geht darin nicht nur um Rezepte, sondern auch um eine Philosophie, den Leuten wirklich zu sagen: Kocht! Aber es gibt kein Kochbuch. Natürlich sind ein paar Rezepte drin – Kochen mit Verstand sozusagen. Wenn man sich einmal die Woche zwei Stunden hinstellt, dann braucht man anschließend nur noch eine halbe Stunde täglich. Das kann auch eine Hausfrau mit drei Kindern machen – und wenn sie gescheit ist, macht sie es sowieso schon so, denn dann spart sie Geld, isst gut und braucht kein schlechtes Fertigessen kaufen. Die Leute sparen am falschen Ende – sie sparen an der Arbeit und sie sparen an der Produktqualität und genau das muss sich ändern. Darüber muss man eben aufklären. Das Buch wird im März erscheinen. Aktuell habe ich noch sechzehn Lesetermine vom vorhergehenden Buch. Ich weiß nicht, ob das zweite Buch so erfolgreich wird wie das Erste, denn wenn man den Leuten die Leviten liest, hat man ja normalerweise nicht so viel Erfolg. Das hat mich auch beim ersten Buch gewundert, dass das trotzdem gut ankam.

Aber vielleicht entsteht ja gerade eine Bewegung, das wäre ja wünschenswert.
Die Bewegung ist wirklich da. Nach neuesten Umfragen ist es tatsächlich so, dass mehr junge Leute als früher wieder kochen, auch aus Kostengründen und auch aus Umweltbewusstsein heraus. Und im Augenblick gibt es mehrere Faktoren, die das ganze glaubwürdiger machen – das ist eben diese ganze Diskussion, die wir im Moment haben mit der Nachhaltigkeit, mit dem Scheiß-Plastik, mit der Verpackung und da gibt es komischerweise bei den jungen Leuten einen echten Wandel – eigentlich eine unglaubliche Entwicklung. Das ist schon toll!

Köche sind ja heutzutage oft auch Fernsehstars – was halten Sie davon und wann sieht man Sie das nächste Mal im TV?
Die Fernsehköche haben gemerkt, dass man mit TV leichter Geld verdienen kann als mit Kochen.
Das ist die eine Seite und die Sender haben gemerkt, dass die Sendungen viel günstiger zu produzieren sind als irgendwelche Filme. Und in Wirklichkeit geht es da ja eigentlich gar nicht mehr ums Kochen, sondern um Show. Ich bin relativ selten dabei, weil ich gar kein Bock drauf habe. Anfragen bekomme ich genug, aber wenn ich denen sage, was ich will, dann melden die sich nicht mehr und das ist auch richtig so, die sollen mich nämlich kreuzweise. Ich habe jetzt gerade mit Martina Meuth und Bernd Neuner Duttenhofer etwas gemacht, wo es auch um Produkte geht. Da habe ich mein Fleisch hingebracht unter anderem von meinen Schweinen einen richtig dicken Hals. Da geht es auch um gute Produkte. Das haben wir gerade zusammen abgedreht. Ich glaube, das kommt an Weihnachten. Und dann hab ich jetzt beim Mälzer mitgemacht, nachdem die mich fast zwei Jahre gequält haben. Der Mälzer ist ja auch sehr direkt und das Ding hat ja eine wahnsinnige Quote, die haben 3,5 Mio Zuschauer. Das muss man sich mal vorstellen! Das ist ja scheinbar die erfolgreichste Kochshow im deutschen Fernsehen. Und die ist auch wirklich ehrlich – da geht dir richtig der Arsch auf Grundeis. Wenn du ein Essen nachkochen sollst, von einem super Sternekoch oder von einer Oma in Italien und du hast kein Rezept und du bekommst das am Vortag vorgesetzt und am nächsten Tag hast du sechs Stunden Zeit um das nachzukochen, dann ist das keine leichte Aufgabe.

Sie sind ja immer noch häufig am Kaiserstuhl, haben wir hier tatsächlich eine Insel des guten Geschmacks oder haben die Kaiserstühler eine ein bisschen zu gute Selbstwahrnehmung?
Ich glaube, dass nicht nur die Kaiserstühler, sondern die Badener allgemein aufgrund der geographischen Lage mit der Nähe zur Schweiz und zu Frankreich, einen Vorteil haben. Sogar die Schwaben sind ja gar nicht so schlecht auf dem Gebiet inzwischen. Ich finde die Leistungen die man in Baden in der Gastronomie bekommt, sind viel zu billig und viel zu unterbewertet. Die meisten können das nur halten, weil sie in den eigenen Läden arbeiten oder weil sie wahrscheinlich mehr Geld übers Weingut oder übers Hotel verdienen. Die Preise sind schrecklich niedrig für die Qualität, die sie haben. Und sie sind sich untereinander nicht einig. Das ist eigentlich keine gute Entwicklung. Man muss den Leuten schon erzählen, was die Sachen kosten. Was wir machen ist gut, aber wir müssen halt einen entsprechenden Preis dafür verlangen und bekommen. Selbst wenn man damit große Probleme hat. Bei mir kostet ein Kilo Wurst von meinen Tieren so um die 16 Euro. Geh mal in die Metzgerei und schau mal, was das Zeug da kostet. Wir produzieren nicht viel. Wir produzieren eigentlich nur so viel wie wir wirklich brauchen. Dieses Jahr produzieren wir das erste Mal mehr, darum müssen wir uns jetzt auch um den Vertrieb kümmern, an Privatleute verkaufen, an Kollegen verkaufen. Das klappt überraschend gut. Aber ich habe keine Lust mit meinem Laden in den Bereich reinzukommen, wo ich dann irgendwann die Hosen runterlassen muss und es heißt: „Herr Keller, wir können nur dies oder das bezahlen.“ Und ich muss dann die Kröte schlucken und muss billiger produzieren. Wir produzieren noch zu einem Preis, der sich noch lange nicht rechnet. Ich mach das, weil ich es will. Mein Sohn sagt dann immer, ich soll nicht so missionarisch sein, sondern mehr an mich denken und er hat auch keine große Lust sowas zu tun, aber ich muss da oben auf meinem Hof noch Gastronomie machen, damit ich mir leisten kann, die Viecher so zu halten. Das muss man ja auch mal sagen! Aber wir bekommen immer mehr Anfragen von Leuten, die bei uns kaufen wollen, aber wir wollen unser Fleisch nicht tiefgefroren in Styropor durch die Republik schicken. Die Leute müssen es sich selber holen. Ich habe jetzt einen Metzgerkollegen in Bruchköbel, hinter Frankfurt, und der will meine Produkte vermarkten als „Edelprodukt“. Der hat schon viel gemacht, er verarbeitet z. B. sehr viel Wild. Es gibt kaum Metzger die Wild verarbeiten, weil sie noch nicht begriffen haben, was das für ein tolles Gut ist. Und der hat auch Lammfleisch aus Deutschland. Das ist einer der wenigen, die ich kenne, der absolut regional arbeitet in dieser Größe. Der arbeitet mit Schäfern aus der Rhön zusammen. Wir haben uns per Zufall gefunden und da geht es jetzt los. Man kann hoffentlich irgendwann auf meiner Homepage bestellen und es bei ihm abholen oder gleich bei ihm im Laden kaufen.

Wenn Sie am Kaiserstuhl sind: wo, außer in den bekannten Oberbergener Adressen, geht Franz Keller essen?
Meistens habe ich ja nicht so viel Zeit, wenn ich da unten bin und ich kenne mich auch nicht mehr so gut aus. Aber wo ich immer hingehe – der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier – ist ins Münstertal zum Spielweg, denn da gibt es ja auch eine familiäre Verbindung. Was da passiert mit den Töchtern, das ist sensationell finde ich. Dass die das jetzt übernehmen und das so gut funktioniert. Da kann man sehr zufrieden sein. Ansonsten bin ich auch gerne in Endingen. Aber wenn es darum geht, wo man essen geht, da müsste ich eher Sie fragen.

Ihr Bruder ist jetzt DFB-Präsident, gibt also nochmal richtig Gas auf der Karriereleiter. Sie sind vom Koch zum Rinderzüchter und nun zum Bestsellerautor geworden – was irgendwie eher nach Downsizing klingt. Was kommt als nächstes – oder anders: Ist der Ruhestand für Sie ein Horrorszenario?
Schaffen möchte ich solange ich gesund bin. Die Frage ist nur wieviel – und im Augenblick arbeite ich mehr als ich die letzten zehn Jahre gearbeitet habe. Aber wenn es läuft und wenn man das Gefühl hat, dass man etwas bewirken kann, dann macht man das halt. Mein Ziel ist es weniger im direkten Feld zu sein, sondern vielleicht irgendwo eine Kochschule aufzumachen. Bocuse hat das in Frankreich schon vor 40 Jahren gemacht – er hat ein Internat gegründet, eine Kochschule „l´institut Paul Bocuse“ dort konnten junge Leute in zwei Jahren den Beruf des Kochs oder des Kellners oder andere gastronomische Berufe lernen, also in zwei statt drei Jahren und sie bekamen eine Grundausbildung in Theorie und Praxis. Da gibt es eine Kantine und ein Restaurant, das von denen betrieben wird und jetzt kommt das Wichtigste: Diese jungen Leute verbringen ein halbes Jahr in einem qualifizierten und dazu ausgesuchten Betrieb, damit sie auch wirklich was lernen. Also bei anständigen Köchen und nicht bei McDonalds oder in der Systemgastronomie oder in einer Kneipe, die alles in der Metro holen und nur selber aufwärmt.

Zum Abschluss würden wir gerne wissen, wenn mal in der Küche etwas schief läuft, wie wird bei Franz Keller geflucht – auf Kaiserstühlerisch?
Natürlich! Himmelhergottsakrament! Dü Dubel! (lacht) Das hat sich nicht geändert. Nur ein bisschen vorsichtiger vielleicht.

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